Persönliche Worte

Diese Seite zu erstellen fiel mir nicht besonders leicht. Jedes Mal, wenn ich anfing einen Text zu verfassen, ging es mir sehr schlecht und ich konnte vor lauter Tränen in den Augen das Geschriebene nicht mehr lesen. Der eigene Körper versucht sich so derart gegen das Geschehene zu wehren, dass man sich fast täglich selber ins Gedächtnis rufen muss, was passiert ist. Mir kommt es eher vor, als würde ich neben mir stehen und mir dabei zuhören, wie ich das Schicksal einer anderen Familie erzähle. Das ging mir unmittelbar nach dem Unfall, zwei Monate danach oder geht mir auch heute, fast fünf Monate später, immer noch so.

Man kann diesen Schmerz nicht beschreiben und stellt sich täglich die Frage: „Wann wird das denn endlich besser? Wann muss ich nicht mehr jeden Tag weinen und wann versagt nicht mehr sofort meine Stimme, sobald ich über meinen kleinen Bruder spreche?“

Bei jedem Lied, was ich mit Konzo verbinde, schnürt sich mir innerlich der Hals zu. Das Weinen ist kein normales Weinen. Es fühlt sich einfach anders an. Vor allem verbindet man doch alles in seinem Leben mit seinem Bruder. Man kann quasi gar nicht nicht an ihn denken. Es ist so grausam.

Alle vorherigen Probleme sind auf einmal nicht mehr vorhanden. Auch ich konnte es mir natürlich nicht vorstellen, wie es sich anfühlt, einen geliebten Menschen zu verlieren. Vor allem nicht so plötzlich und viel zu früh.

Konstantin war der jüngste von drei Geschwistern. Unser kleiner Bruder.

Er hatte so viel vor sich. Er war erst 23, hatte seinen eigenen Kopf, war gerne mit Freunden unterwegs und war ein so herzlicher Mensch.

Trotzdem haben wir uns so oft gezankt, weil wir einfach andere Ansichten hatten im Leben. Ich bin Polizistin und Konzo hat immer gesagt, dass er eher alternativ ist. Er wollte nicht so „Mainstream“ sein wie alle anderen. Er wollte seine eigenen Ideen umsetzen und manchmal auch einfach „gegen den Strom schwimmen“. Dazu gehörte auch, dass er ab und zu Marihuana geraucht hat, auch in meiner Anwesenheit. Das war natürlich ein Aufeinanderprallen von zwei Welten. Es war ihm auch jahrelang egal, dass wir ihn ärgerten, als er seine lockigen Haare als lange Mähne trug oder seine Wacken-Armbänder nicht abmachte. Er entschied sich für etwas und ließ sich von niemandem beirren.

Er hat so viel Gutes für seine Mitmenschen getan. Er spendete von seinem Ausbildungsgehalt an den Naturschutzbund, an den Wünschewagen des ASB und konnte an keinem Obdachlosen in der Stadt vorbeigehen, ohne diesem nicht wenigstens einen Euro in den Becher zu werfen. Und er war sauer, wenn ich Lebensmittel weggeworfen habe. 

Konstantin hat dieses schnelle Ende nicht verdient. Er hat nicht verdient, dass er an einem Abend gehen musste, als er so viel Spaß hatte. Er hat nicht verdient, dass er seinen Beruf als Garten- und Landschaftsbauer nie ausleben konnte. Er wollte Kindergärten bauen und selber viele Kinder haben.

Ich denke oft an den Tag im März, als nur wir beide zusammen in Hanau waren und er sich diesen Pullover gekauft hat, den ich jetzt so gerne trage. Der Pulli, den ich noch kritisiert habe, weil er in der Damenabteilung hing und er daraufhin gesagt hat „mir egal, da sind Pflanzen drauf, die ich mag“. Diesen Tag werde ich nie vergessen.

Ich wünsche mir so sehr, dass ich dir wie so oft irgendwelche lustigen Bilder oder Memes bei Whatsapp schicken kann und du darauf antwortest. 

Ich wünsche mir so sehr, dass zu den vorhandenen Sprachnachrichten von dir, noch weitere dazukommen und dass wir zusammen alt werden. 

Ich wünsche mir so sehr, dass du mich noch einmal so doll umarmst, wie du mich immer umarmt hast, wenn wir uns gesehen haben.

Ich vermisse dich so unendlich. Diesen Schmerz werde ich immer fühlen.

Ich hab dich lieb (mieb mieb)

 

Dein Schwesterlein.

 

 

 

 

(verfasst von Sophie - Konstantins großer Schwester)